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"Die Welt braucht viel, viel Liebe!"

  • Artikel-dieSchwarzburg-Licht_und_Leben

Artikel aus Die Schwarzburg - Licht und Leben: 17.10.2017


 
Vor 75 Jahren ermordeten die Nazis Werner Sylten wegen seines reform pädagogischen und kirchenpolitischen Wirkens.

Im Januar 1942 schrieb Werner Sylren seinen Söhnen aus dem Konzentrationslager Dachau: "Es gibt immer vieles, wofür Gott zu danken ist. Schau nur genau hin! Wer dankbar ist, wird nicht bitter. Ihr beide seid stets von soviel Liebe umgeben gewesen, dass das in Euch immer neue Liebe weckte, Ihr Liebe ausstrahltet. Die Welt braucht viel, viel Liebe!" Diese Sätze sind das Vermächtnis von Pfarrer und Erzieher Werner Sylten, der beispielhaft ein Leben im Dienst am Nächsten führte.

Werner Sylten wurde am 9. August 1893 als ältestes der fünf Kinder von Alfred und Emma Sylten geboren. Der Vater war von Geburt her Jude und hieß Silberstein. Als sein Vater Alfred zum evangelischen Glauben konvertierte, nahm dieser den Namen "Sylten" an, um zu dokumentieren, dass er Sich vom Judentum getrennt habe. Diese Entscheidung hatte zur Folge, dass dessen Eltern mit ihm brachen. Sozialarbeiter und Reformpädagoge Werner Sytren studierte nach dem Abitur 1913 Evangelische Theologie in Marburg. Wegen des Ersten Weltkriegs musste er das Studium unterbrechen und konnte es erst 1919 fortsetzen. Nach dem Ersten Theologischen Examen 1920 begann er an der Berliner Universität noch ein Zusatzstudium: Nationalökonomie und Sozialpädagogik. Unter Leitung von Professor Friedrich Siegmund Schultze, Theologe, Sozialpädagoge und Pionier der Friedensbewegung, arbeitete er in den Arbeitervierteln am Schlesischen Bahnhof (heute: Ostbahnhof).

 

Ein "Gerechter unter den Völkern"

  • 2017-08-20-Glaube-und-Heimat

Artikel in Glaube und Heimat: 27.08.2017


 
Reiß uns aus Angst und Pein und lass am Kreuz dich finden, du unser Heiland sein - diese Worte betete Werner Sylten mit seinen Mitgefangenen in den letzten Tagen vor seinem Abtransport aus dem Konzentrationslager Dachau.
Von Wolfgang Hesse

Vor 75 Jahren, am 12. August 1942,  wurde er von den Nazis nach  Schloss Hartheim bei'Linz verschleppt und dort ermordet. Heute findet sich sein Name unter den »Gerechten unter den Völkern« in Yad Vashem. Ehrungen findet der Pfarrer und Pädagoge in diesen Tagen in Berlin, Dachau und in Bad Köstritz. Besonders die Stadt an der Weißen Elster ist eng mit dem Leben und Wirken von Werner Sylten verbunden. In der Kirche St. Leonhard erinnerte kürzlich ein Gedenkgottesdienst an seine Bedeutung für Bad Köstritz und an seinen tiefen christlichen Glauben, der im Dienst an seine Mitmenschen sichtbar wurde. Werner Sylten, geboren am 9. August 1893, wuchs in Hergiswyl in der Schweiz auf. Sein Vater entstammte einer jüdischen Familie und konvertierte vor der Eheschließung zum evangelischen Glauben. Werner, das älteste von fünf Kindern, wurde im christlichen Glauben erzogen und hat sich nach dem Abitur für ein evangelisches Theologiestudium entschieden. Er interessierte sich zunehmend für christlich-soziale Aspekte und nahm im letzten Semester ein Zusatzstudium in Volkswirtschaft und Sozialpädagogik auf. Kirche und Sozialarbeit gehörten für ihn eng zusammen. Im Jahre 1925 übernahm der Theologe das »Thüringer Frauenasyl« in der Eleonorenstraße in Bad Köstritz. Der Einrichtung liegt eine Stiftung zugrunde, die 1896 vom Fürstenhaus Reuß jüngere Linie ins Leben gerufen wurde. Entsetzt von den katastrophalen Zuständen im Heim begann er, aus der gefängnisähnlichen Einrichtung ein menschenwürdiges Mädchenheim zu erschaffen. Stets geleitet vom tiefen christlichen Glauben war er beseelt von modernen pädagogischen Vorstellungen. Aus der ehemaligen »Dunkelkammer « erwuchs für die jungen Frauen eine Schule für ihr Leben. Die Jahre in Bad Köstritz waren für Werner Sylten die arbeitsreichste, prägendste, aber auch schönste Zeit seines Lebens. Mit Machtübernahme der Nazis widersetzte er sich der braunen Ideologie und der Gleichschaltung der Jugend. Schon bald wurde der »Halbarier « von NS-Stellen als Freund Israels denunziert. Seine Frau hielt die ständigen Anfeindungen nicht aus und nahm sich 1933 das Leben. Von der Thüringer Landeskirche im Stich gelassen, musste er 1935 unverzüglich seinen Arbeitsplatz in Bad Köstritz räumen. Seine Aktivitäten in der Bekennenden Kirche und die Unterstützung für verfolgte »nichtarische« Christen in Berlin führten 1941 zur Internierung im Konzentrationslager Dachau.

Der Vers aus 1. Timotheus 2: »Gott will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen« wurde zum Leitspruch im Leben von Werner Sylten, stets geprägt von der Liebe zu seinen Mitmenschen. Auf dem Gelände Eleonorenstraße 20 in Bad Köstritz betreibt der Verein Wendepunkt e.v. heute ein Jugendhilfezentrum. Minderjährige Flüchtlinge und verhaltensauffällige Jugendliche werden hier betreut. 75 Jahre nach seiner Ermordung trägt die Diakonische Förderstiftung jetzt den Namen Werner Sylten. Ihr Vorsitzender Michael Frankenstein hat sich dafür eingesetzt. »Wir versuchen das pädagogische Erbe im Sinne Werner Syltens weiterzuführen«, sagt er. Walter, jüngster Sohn Werner Syltens, erlebte die ersten fünf Jahre seines Lebens in Bad Köstritz. Für den 87-Jährigen war sein Vater immer ein trauriges, aber leuchtendes Vorbild, und er ist froh, dass dessen Lebenswerk endlich die notwendige Achtung und Anerkennung zuteil wird. Mit der kürzlich in Betrieb genommenen Internetseite der Förderstiftung habe die Stiftung jetzt auch ein Gesicht bekommen, betont Michael Frankenstein. Sie solle auch nachfolgenden Generationen helfen, Leben und Werk Werner Syltens nicht zu vergessen.

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Auf den Spuren von Werner Sylten

Schloss Harheim Frontansicht
Eine Reise an den Ort der Ermordung von Werner Sylten

Herr Lippmann vor Schloss Hartheim

18.07.2025 - Im Juli 2025 begab ich mich auf eine ergreifende Reise nach Alkoven in der Nähe von Linz und besuchte den Ort der Ermordung Werner Syltens. 

Schloss Hartheim nahe Alkoven (Oberösterreich), seit 1889 Pflegeanstalt für geistig und mehrfach behinderte Menschen, wurde nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Dritte Reich im Jahre 1939 von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und zur Euthanasieanstalt umgebaut. Hier wurden zwischen 1940 und 1944 etwa 30.000 als „lebensunwert“ klassifizierte Menschen ermordet. Es waren dies körperlich oder geistig beeinträchtigte und psychisch kranke Menschen und nach dem Ende der „zentralen“ Euthanasie im Sommer 1941 als krank oder „lebensunwert“ eingestufte Häftlinge aus den Konzentrationslagern von Mauthausen, Gusen, Ravensbrück und Dachau sowie Zwangsarbeiter*innen.
Im Mai des Jahres 2003 wurde Schloss Hartheim als Lern- und Gedenkort mit der Gedenkstätte für die Opfer der NS-Euthanasie und der Ausstellung „Wert des Lebens“ eröffnet.1

Sie leistet einen wichtigen Beitrag zur verständlichen Aufarbeitung der NS-Euthanasie und zur gesellschaftlichen Auseinandersetzungmit dem „Wert des Lebens“ und umfasst die NS-Zeit, Reflexionen über Ausgrenzung und Gegenwartsthemen wie Genmanipulation, Sterbehilfe und Menschenwürde.Schloss Hartheim Rückseite

Beim Betreten dieses Ortes spürt man sofort die bedrückende Atmosphäre: Die originale Architektur und Räume schaffen eine unmittelbare Verbindung zur Vergangenheit. Die Räume – von Ankunft, Empfang, Gaskammer, Technikraum bis Leichenkammer und Krematorium – sind weitgehend original erhalten und vermitteln eine unmittelbare Authentizität und Beklemmung. Im Anschluss führt der Rundgang in den Raum der Stille, der als Ort der Erinnerung und Reflexion dient, besonders berührend nach der Eindringlichkeit des vorherigen Rundgangs.

Nachdem Werner Sylten aufgrund seiner Herkunft („Halbjude“ nach den Nürnberger Rassengesetzen) 1936 aus dem Pfarrdienst entlassen und von der Leitung des Thüringer Mädchenheims in Bad Köstritz entbunden wurde, schloss er sich der Bekennenden Kirche an und arbeitete ab 1938 im Berliner Büro Pfarrer Grüber, das rasseverfolgten evangelischen Christen zu Hilfe kam. Er war entscheidend daran beteiligt, über 1.000 Menschen bei der Flucht zu unterstützen. Nach Schließung des Büros durch die Gestapo Anfang 1941 wurde Werner Sylten am 27. Februar 1941 verhaftet. Er verbrachte Monate in Untersuchungshaft im Polizeigefängnis Alexanderplatz und wurde im Mai 1941 nach Dachau deportiert. Dort versorgte er als Seelsorger Mitgefangene, erkrankte jedoch aufgrund von Zwangsarbeit und Misshandlungen. Im August 1942 wurde er in einem sogenannten „Invalidentransport“ aus Dachau in die NS-Tötungsanstalt Schloss Hartheim gebracht. Laut verschiedenen Quellen erfolgte die Ermordung unmittelbar nach der Ankunft am 12. August 1942, offiziell wird jedoch der Todestag 26. August 1942 angegeben (gemäß Sterbeurkunde). Werner Sylten gehört zu den über 3.000 Insassen aus Dachau, die im Jahr 1942 in Hartheim getötet wurden – darunter auch 336 Geistliche.

Gedenktafeln im Innenhof des Schlosses

Im Erdgeschoss des Innenhofs befindet sich unter zahlreichen anderen Tafeln, auch eine Gedenktafel an Werner Sylten, welche von der Evangelischen Kirche in Deutschland 1992 gestiftet wurde. Darüber hinaus finden sich Spuren von Werner Sylten auch in der Ausstellung, deren Ziel es u.a. ist, den zahlreichen Opfern von Schloss Hartheim mit der namentlichen Erfassung und der Sammlung von biografischen Informationen eine Identität zu geben. Für etwa 23.000 Ermordete ist dies bereits gelungen.

Auf dem Gelände und in der unmittelbaren Nähe des Schlosses Hartheim befinden sich heute wieder soziale Einrichtungen, die im Sinne der Inklusion und Begleitung von Menschen mit Behinderungen wirken – insbesondere das Institut Hartheim als Träger verschiedener Wohn- und Beschäftigungsangebote für Menschen mit geistiger und mehrfacher Beeinträchtigung.

Christian Lippmann
Vorsitzender des Vorstands der Diakonischen Förderstiftung „Werner Sylten“ Bad Köstritz

1 Verein Schloss Hartheim, Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim, Schlossstraße 1, A-4072 Alkoven

 

 

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